Wenn eine noch junge Partei bereits nach dem ersten Einzug in einen Landtag auf die Durchsetzung von Kernpositionen verzichtet, nur um sich an einer Landesregierung beteiligen zu können, läuft etwas falsch. Das Sondierungspapier von CDU, BSW und SPD in Thüringen hätte nämlich auch ohne BSW-Beteiligung verfasst werden können.
Manchmal sind die Futtertröge der Macht für Politiker offensichtlich so reizvoll, dass man dafür auch zentrale politische Anliegen über den Haufen wirft. Das gilt in Thüringen sowohl für die CDU, die sich mit den Kommunisten des BSW ins Koalitionsbett legt, als auch für das BSW selbst. Denn das Sondierungspapier weist keine der relevanten Positionen auf, mit denen die Wagenknecht-Partei auf Wählerfang ging.
So zoffen sich zwar auf Bundesebene der radikale Transatlantiker Friedrich Merz und die russlandfreundliche Sahra Wagenknecht ganz theatralisch wegen der deutschen Russland-Politik, doch entgegen der Linie der Bundespartei findet sich in dem Papier keine entsprechende Forderung für eine diplomatische Lösung des Ukraine-Konflikts. Ebenso fehlt die Wagenknecht-Forderung nach der Wiederaufnahme von Gasimporten aus dem größten Land der Erde, um so der Wirtschaft und der Bevölkerung wieder günstige und verlässliche Energie zur Verfügung zu stellen. Stattdessen setzen alle drei Parteien auch ganz ohne grüne Regierungsbeteiligung auf die komplette Dekarbonisierung der Stromerzeugung. „Mit einem Energiemix aus Geo-, Bio-, Solar-, Wasser- und Windenergie sowie zukünftig Wasserstoff legen wir den Grundstein für eine nachhaltige und zukunftsfähige Energieversorgung“, heißt es darin.
Ganz im Gegensatz zur sächsischen Landespartei konnte sich das Thüringer BSW auch in Sachen Corona-Aufarbeitung nicht mit einem Untersuchungsausschuss durchsetzen. Stattdessen unterstützt die Thüringer Wagenknecht-Partei die Linie der beiden Parteien, die für die ganzen Exzesse und Diskriminierungen während der Corona-Zeit hauptverantwortlich waren – CDU und SPD – einfach so mit. Ähnlich sieht es auch in Sachen Migrationspolitik aus, wo sich das BSW faktisch einfach der Position von Union und Sozialdemokraten anpasst.
Zyniker würden behaupten, das BSW falle noch schneller um als die CSU. Immerhin findet sich bereits im Positionspapier, welches die Basis für die eigentlichen Koalitionsverhandlungen darstellt, kaum eine Signatur der Wagenknecht-Partei. Wo die bayerischen Christsozialen eigentlich an der Hauptkreuzung rechts blinken und danach irgendwann links abbiegen, scheint das Thüringer BSW nicht einmal auf diese Kreuzung warten zu wollen. Doch wenn diese Totalaufgabe des politischen Profils (vielleicht hätten die BSW-Politiker einfach doch bei der Linkspartei bleiben sollen?) so fortgeführt wird, wird es vielleicht der erste und letzte Einzug in den Thüringer Landtag gewesen sein. Und mehr noch wird dieses Verhalten auch der Bundespartei schaden. Denn wer soll das BSW nach dieser Scharade überhaupt noch ernst nehmen?