Sergej Lawrow: Die Fähigkeit des Westens zu lügen ist bestens bekannt!

Äußerungen des russischen Außenministers Sergej Lawrow und Antworten auf Fragen der Medien im Anschluss an das Treffen des SOZ-Außenministerrates, in Panaji, Indien am 5. Mai 2023

Guten Nachmittag!

Wir haben das Treffen des Außenministerrates der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ)abgeschlossen. Wir haben die „Zielstellungen“ vorbereitet, die im Vorfeld des für Juni-Juli 2023 geplanten SCO-Gipfels noch abgestimmt werden müssen. Die Zeitpläne für die Staatsoberhäupter werden gerade fertiggestellt. Es wird davon ausgegangen, dass ein umfangreiches Paket von Dokumenten verabschiedet wird, vor allem eine politische Erklärung sowie eine Reihe von Erklärungen zur De-Radikalisierung, digitaler Transformation, Gesundheitswesen und anderen Bereichen.

Wir haben eine gemeinsame Vision der Probleme, die auf internationaler Bühne bestehen. Unser gemeinsamer Wunsch ist es, unsere Aktionen bei den Vereinten Nationen und auf dem eurasischen Kontinent mit Organisationen wie der EAEU und der ASEAN zu koordinieren und auf globaler Ebene mit den BRICS-Ländern zusammenzuarbeiten.

Wir haben sowohl der wirtschaftlichen als auch der humanitären Agenda unsere Aufmerksamkeit geschenkt.

  • Es gibt eine Initiative des russischen Präsidenten Wladimir Putin, die Gründung eines SOZ-Sportverbandes zu koordinieren.
  • Wir schlagen auch die Gründung einer medizinischen Vereinigung vor.
  • Unsere Kollegen aus Zentralasien sind an der Förderung der Zusammenarbeit im Bereich der Informationssicherheit und der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des Drogenhandels im SOZ-Raum interessiert. Wir halten es für wichtig, entsprechende Kommissionen einrichten zu lassen und sie von der regionalen SOZ-Anti-Terror-Struktur koordinieren zu lassen.

Wir haben noch Zeit, wenn auch nicht viel. Es besteht die gemeinsame Verpflichtung, im Sommer 2023 in Neu-Delhi einen erfolgreichen SOZ-Gipfel abzuhalten.

Frage: Die BRICS-Länder sprechen über die Einführung einer gemeinsamen Währung für gegenseitige Abrechnungen. Stimmt es, dass diese Währung „BRIC“ heißen soll? Wurde über die Möglichkeit diskutiert, dass die SCO-Länder eine solche Währung verwenden?

Sergej Lawrow: Der Name der Währung ist die unwichtigste Sache. Sie haben Recht, die Hauptsache ist jetzt, sich mit praktischen Fragen zu befassen, die die Zusammenarbeit unabhängiger, autonomer Staaten gegen feindselige Handlungen des Westens schützen, der seine Position in der Weltwirtschaft missbraucht, sowie gegen Handlungen der USA, die die Position des Dollars als Reservewährung missbrauchen. Auch der Euro verfolgt ähnlich abzulehnende Ansätze.

Es besteht Übereinstimmung darüber, dass die Rolle der nationalen Währungen bei der Abrechnung zwischen den SOZ-Mitgliedern gestärkt werden soll. Die Praktiken, die derzeit in der Eurasischen Entwicklungsbank, der Asiatischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und der Neuen Entwicklungsbank der BRICS-Staaten entwickelt werden, könnten zu diesem Zweck genutzt werden. All dies wurde diskutiert und ist relevant.

Was die Neue Entwicklungsbank der BRICS betrifft, so haben wir die Initiative des Präsidenten der Föderativen Republik Brasilien, Lula da Silva, zur Kenntnis genommen, die wiederholt geäußert wurde: Die Umstellung auf unsere eigenen Währungen mit der Aussicht – dies ist durchaus möglich, – eine gemeinsame Währung zu schaffen. All dies wird derzeit von den zuständigen Stellen unserer Länder – den Finanzministerien – analysiert. Diese Arbeit ist im Gange. Sie kann jetzt nicht gestoppt werden.

Frage: Moskau hat den Drohnenangriff auf den Kreml als einen Terrorakt bezeichnet. Hat Russland seine SCO-Partner auf diplomatischem Wege über seinen Standpunkt informiert? Wie kann sich Russlands Haltung zu Chinas Friedensplan in diesem Zusammenhang verändern? Können Sie etwas zu den gestrigen Ereignissen in Ankara sagen, als ein ukrainischer Abgeordneter ein Mitglied der russischen Staatsduma-Delegation angegriffen hat? Wie lange werden wird Russland ein solches Verhalten noch hinnehmen?

Sergej Lawrow: Was den Terroranschlag auf den Kreml und die Residenz des Präsidenten angeht, so haben wir uns dazu geäußert. Fast alle, mit denen ich gestern gesprochen habe, haben ihre Missbilligung zum Ausdruck gebracht. So hat beispielsweise der Außenminister der Islamischen Republik Pakistan, Bilawal Bhutto Zardari, den Terroranschlag offen verurteilt und die Hoffnung geäußert, dass die Wahrheit ans Licht kommt und die Schuldigen unverzüglich ermittelt werden.

Was die Auswirkungen auf die Lage in der Ukraine betrifft, so sollten wir meiner Meinung nach nicht länger auf immer neue Zwischenfälle und Provokationen warten. Wladimir Selenskyj und sein Team tun alles, was medial und in der Praxis möglich scheint, um den Wunsch anständiger Länder mit ihnen zu kommunizieren zu schwächen. Das ist so. Wir sehen, dass eine solche Einsicht sich breit macht.

Dennoch haben wir uns nie geweigert, die Probleme zu lösen, die durch die Bemühungen der Vereinigten Staaten und ihrer Satelliten entstanden sind, um über Waffenlieferungen an die Ukraine Russland konfrontieren zu lassen. Wir sehen ein wachsendes Bewusstsein dafür, dass diese Probleme nicht an der Kontaktlinie im Donbass gelöst werden können. Einige würden diese Linie gerne einfrieren, um im Anschluss darüber nachzudenken, wie mit der Gesamtsituation umzugehen wäre.

Der geopolitische Charakter der gegenwärtigen Ereignisse ist für jeden offensichtlich, und es ist auch klar, dass die Krisen in der Ukraine und in anderen Teilen der Welt nicht gelöst werden können, ohne das wichtigste geopolitische Problem zu lösen, nämlich den Wunsch des Westens, seine Hegemonie aufrechtzuerhalten und allen und jedem seinen Willen zu diktieren.

Wenn Sie den 12-Punkte-Friedensplan Chinas aufmerksam lesen, werden Sie feststellen, dass die Ukraine nur einmal, nämlich in der Überschrift, erwähnt wird. Im übrigen Text geht es um die Gewährleistung unteilbarer Sicherheit und die Zusage, die eigene Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit anderer zu verfolgen und keine unrechtmäßigen einseitigen Sanktionen zu verhängen.

Diese Fragen können nicht mit Wladimir Selenskyj, einer Marionette des Westens, geklärt werden, sondern nur direkt mit seinen Handlangern.

Wir sind seit langem zu diesem Dialog bereit. Wir haben unsere Vorschläge 2009 vorgelegt, und das letzte Mal haben wir sie den Amerikanern und dem NATO-Hauptquartier im Dezember 2021 übermittelt. Der Westen hat unsere Vorschläge arrogant zurückgewiesen. Aber wir werden letztendlich über dieses Thema diskutieren müssen, um nach Lösungen für all diese Probleme zu suchen und zu den Grundprinzipien der UN-Charta zurückzukehren, vor allem zum Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten. Diese Diskussion wird früher oder später geführt werden. Wir sind dazu bereit. Wir sind geduldige Menschen.



Terroranschlag auf Kreml & Präsident Wladimir Putin – 3. Mai 2023, Moskau

Frage: Nach dem Terroranschlag auf den Kreml haben viele bekannte Politiker dies als casus belli bezeichnet. Wie angemessen ist es Ihrer Meinung nach, unter den Bedingungen einer hybrider Patt-Situationen besagte altrömische Terminologie zu verwenden? Wie kann Russland einen solchen Begriff gebrauchen, falls er aufgrund solcher Situationen schlagend würde? Wie würde sich dies auf die Beziehungen zwischen Russland und Washington auswirken, die von den Absichten der Ukraine nicht unberührt bleiben können?

Sergej Lawrow: Genau wie in Bezug auf den möglichen Namen der neuen Währung glaube ich nicht, dass wir uns auch hier nicht beim Namen oder der Terminologie aufhalten sollten.

Dies war ein feindlicher Akt. Es ist völlig klar, dass die Terroristen in Kiew ihn nicht hätten ausführen können, ohne ihre Meister in Kenntnis zu setzen. Wir werden mit konkreten Maßnahmen reagieren und nicht darüber diskutieren, ob dies ein casus belli darstellt oder nicht.

Ich möchte noch einmal betonen, dass wir sehr geduldig sind. Es gibt ein Sprichwort, das ausdrückt, dass Russen zwar langsam wären, wenn es darum gehe, aufzusatteln, aber schnell reiten können.

Ich habe eine Erklärung des US-Außenministers Antony Blinken zur Kenntnis genommen, wonach die Vereinigten Staaten Kiew nicht vorschreiben würden, welche Methoden sie zur Verteidigung der Souveränität der Ukraine anwenden sollten. Diese Aussage sagt wahrscheinlich alles.

Frage: Eine der Bestimmungen der russischen außenpolitischen Strategie befasst sich mit der neuen internationalen Ordnung. Welche Rolle sollte die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit in der von Russland vorgeschlagenen internationalen Ordnung spielen?

Sergej Lawrow: Das neue Außenpolitische Konzept der Russischen Föderation, das vom russischen Präsidenten Wladimir Putin im März 2023 verabschiedet wurde, hebt die Rolle der SCO in einer neuen internationalen Ordnung hervor. Darin wird die SCO als eines der Zentren einer entstehenden multipolaren internationalen Ordnung erwähnt, zusammen mit der EAEU, der OVKS, der GUS, der ASEAN sowie regionalen Zusammenschlüssen von Entwicklungsländern in Afrika, Lateinamerika und Asien.

Im Jahr 2016 wurde ein wichtiger Schritt in diese Richtung unternommen, als Präsident Putin auf dem Russland-ASEAN-Gipfel die Idee einer größeren eurasischen Partnerschaft unter Einbeziehung der SCO, EAEU und ASEAN einbrachte. Wir sind der Meinung, dass es jedem anderen Staat oder jeder anderen Organisation auf unserem riesigen gemeinsamen Kontinent freistehen sollte, sich dieser eurasischen Partnerschaft anzuschließen. Es ist verständlich, dass unser gemeinsamer Standort einen gravierenden Wettbewerbsvorteil zur Stärkung der Positionen unserer Region in Bezug auf die Weltwirtschaft, das Finanzsystem und die Lieferketten darstellt. All dies erfordert erhebliche Anstrengungen. Die Grundlinie wurde jedoch festgelegt, und in diese Richtung gehen wir.

Frage: Welchen Status hat Afghanistan innerhalb der SOZ? Afghanistan hält nach wie vor einen Beobachterstatus in der SOZ, obwohl kein einziger Mitgliedstaat die neue Regierung anerkannt hat. Wird der kommende Gipfel diesbezüglich Beschlüsse fassen?

Sergej Lawrow: Heute haben wir uns darauf geeinigt, die SCO-Afghanistan-Kontaktgruppe zu bekräftigen. Diese Gruppe existiert, auch wenn sie schon seit einiger Zeit nicht mehr getagt hat. Einer der Gründe dafür ist der Status der Taliban. Bislang ist dieser „de jure“ nicht anerkannt. Wir erwarten von den Taliban-Führern, dass sie ihre Versprechen zur Bildung einer inklusiven Regierung nicht nur in Bezug auf die ethnischen Gruppen erfüllen, sondern auch die Präsenz des gesamten Spektrums der politischen Kräfte Afghanistans sicherstellen. Dies ist noch nicht geschehen. Wir beobachten die Umsetzung seiner Zusicherungen, dass der Taliban die Menschenrechte achtet, die Sicherheit im Hoheitsgebiet Afghanistans gewährleistet und die Bedrohungen durch Terrorismus und Drogenhandel beseitigt werden. Alle unsere SCO-Kollegen haben in dieser Frage eine einheitliche Position eingenommen.

Ich bin zuversichtlich, dass der von uns heute eingebrachte Vorschlag, die SCO-Afghanistan-Kontaktgruppe so bald wie möglich einzuberufen, umgesetzt werden wird. In der Tat erfordert die Situation dringende Maßnahmen. Die Amerikaner versuchen erneut, sich in die inneren Angelegenheiten Afghanistans einzumischen. Es gibt glaubhafte Beweise dafür, dass die Vereinigten Staaten terroristische Gruppen unterstützen, die sich auf dem Gebiet Afghanistans eingenistet haben und gegen die Taliban kämpfen, darunter der Islamische Staat, die Islamische Bewegung Ostturkestans und Al-Qaida. Die Amerikaner haben ihre Versuche nicht aufgegeben, die militärische Infrastruktur der USA in der Region um Afghanistan – in Zentralasien – wieder einzuführen. Jeder ist sich der ernsten Bedrohung, die von diesen Versuchen ausgeht, wohl bewusst. Wir werden uns ihr entschlossen entgegenstellen.

Frage: Wurde der jüngste Angriff auf den Kreml während des bilateralen Treffens mit dem indischen Außenminister Subrahmanyam Jaishankar besprochen?

Sergej Lawrow: Wir haben den Terroranschlag auf den Kreml nicht im Detail mit dem indischen Außenminister besprochen. Wir kennen die Position Indiens, die dafürstehen, jegliche Provokationen oder Terroranschläge zu unterlassen. Darüber besteht keinerlei Zweifel.

Frage: Es gibt Berichte, dass die Verhandlungen über den Handel in Rupien ausgesetzt wurden. Wie wird die Diskussion weitergehen? Gibt es dazu einen Kommentar?

Sergej Lawrow: Was die Rupie betrifft, so ist das ein Problem. Wir haben Milliarden von Rupien auf Konten in indischen Banken angehäuft. Wir müssen dieses Geld verwenden, aber dazu müssen diese Rupien in eine andere Währung transferiert werden, und das wird jetzt diskutiert.

Frage: Wie sieht Russland den indischen G20-Vorsitz und seine Rolle bei der Lösung der großen Herausforderungen, vor denen die Welt heute steht?

Sergej Lawrow: Daran arbeiten wir. Wir haben die indische Präsidentschaft unterstützt. Wir haben das Programm des indischen Ratsvorsitzes unterstützt. Unter indischem Vorsitz haben bereits etwa 100 Veranstaltungen stattgefunden. Wir werden in der Lage sein, Ihnen nach dem Gipfel, der bald stattfinden wird, unsere endgültige Einschätzung zu präsentieren.

Frage: Die Ukraine und die USA haben Behauptungen zurückgewiesen, der Drohnenangriff auf den Kreml sei von ihnen ausgeführt worden. Geben Sie immer noch der Ukraine oder dem Westen die Schuld? Haben Sie mit Ihrem indischen Amtskollegen während des bilateralen Treffens über dieses Thema gesprochen?

Sergej Lawrow: Ich habe gerade die Frage nach meinem Gespräch mit meinem indischen Amtskollegen beantwortet. Sie haben nicht zugehört.

Was Ihre erste Frage betrifft, glauben Sie, dass wir all das sofort vergessen sollten, woran wir glauben, wenn immer die Vereinigten Staaten und Ukraine Anschuldigungen zurückweisen? Das ist nicht der Fall. Die Fähigkeit unserer ukrainischen und westlichen Freunde, zu lügen, ist hinlänglich bekannt.

Diese ganze Situation ist bezeichnend für die Krise, die viel tiefer liegt als die Handlungen des Selenskyj-Regimes.

Übersetzung aus dem Russischen: UNSER MITTELEUROPA