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Tödliches Versagen
Die Medien und das Hochwasser. Während die Wassermassen das Ahrtal unter sich begruben, dudelte im WDR munter Musik. Im Sommer 2021 offenbarten sich nicht nur ein eklatantes Staats-, sondern auch ein folgenschweres Medienversagen.
von Federico Bischoff
Land unter in einer der schönsten Gegenden der Republik: Gewaltige Regenmengen hatten am 14. und 15. Juli 2021 den Westen und den Südwesten heimgesucht – vor allem das Ahrtal im nördlichen Rheinland-Pfalz mit seinen charmanten Städten und Gemeinden. Eine fürchterliche Naturkatastrophe war die Folge. Die Ahr überschwemmte weite Teile der Ufergebiete, der Starkregen führte zu Sturzfluten und Verwüstungen. Allein im Ahrtal waren 134 Tote und 766 Verletzte zu beklagen. Was für eine Tragödie! Beinahe 200 Hektar Fläche wurden mehr oder weniger zerstört, Straßen unterspült, Häuser verwüstet. Auch in Nordrhein-Westfalen starben 47 Menschen an den fatalen Folgen des Hochwassers.
Allein im Ahrtal waren 134 Tote und 766 Verletzte zu beklagen.
Dabei wurden die Behörden rechtzeitig gewarnt: Bereits am 5. Juli erfassten Satelliten die ersten Anzeichen des bevorstehenden Unglücks. Fünf Tage später, am 10. Juli, so berichtete die Londoner Times, schlug das EU-Flutwarnsystem EFAS Alarm. Die Rede war von «extremem Hochwasser» durch Starkregen – doch Bund und Länder hielten die Füße still. Während die Bedrohung immer konkreter wurde, blieb Armin Schuster, Chef des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), im Sommerurlaub.
«Monumentales Systemversagen»
Zwei Tage vor der Flut warnte der Deutsche Wetterdienst (DWD) alle Landesregierungen und Katastrophenschützer vor «Starkregenfällen im Bereich südwestliches Nordrhein-Westfalen und nordwestliches Rheinland-Pfalz». «Spitzenwerte von 185 l/qm» seien dort zu erwarten – und genau dieses Szenario traf ein. Bei dieser Niederschlagsmenge hätten spätestens zu diesem Zeitpunkt alle Alarmglocken läuten müssen: Der DWD beziffert die Wiederkehrzeit eines solchen Ereignisses auf mehr als 100 Jahre. Am 13. Juli richtete die Landesregierung in Düsseldorf schließlich eine Lage ein, «da ein solches Ereignis abzusehen war», wie ein Sprecher gegenüber Bild einräumte. Doch am Tag der Katastrophe setzte das BBK eine Meldung ab, die wie eine Entwarnung klang: Es sei nicht mit einem «bevölkerungsschutzrelevanten Schadensereignis» zu rechnen. Ein tödlicher Fehler.
Hannah Cloke, Professorin für Hydrologie an der britischen Universität Reading, gehört zu den Erfindern des Warnsystems EFAS. In der Sunday Times erhob sie schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung: «Deutschland wusste, dass die Flut kommen würde, aber die Warnungen haben nicht funktioniert», titelte die britische Zeitung am 18. Juli 2021. Dem für Katastrophenschutz zuständigen Innenministerium sei bereits 24 Stunden vorher präzise vorausgesagt worden, welche Gebiete betroffen sein würden – unter anderem an der Ahr, wo es die meisten Toten gab. Das vernichtende Urteil der Wissenschaftlerin: «Monumentales Systemversagen.»
Schlager statt Eilmeldungen
Natürlich spielte die Katastrophe im Sommer 2021 auch in der Medienberichterstattung eine tragende Rolle. Die öffentlich-rechtlichen Sender sind an solchen Tagen ganz ohne Zweifel in der Pflicht. So ist auch der Westdeutsche Rundfunk an einen klaren Programmauftrag gebunden. Dafür kassiert er bei uns die umstrittene Rundfunkgebühr ab. Der WDR hat demnach «in seinen Sendungen einen umfassenden Überblick über das internationale und nationale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen» abzubilden, so lautet das Gebot.
«Sie senden irgendeinen Scheiß und lassen die Leute ersaufen.» Jörg Kachelmann
Als es aber im Ahrtal um Leben und Tod ging, versagte der WDR vollumfänglich. Statt die Menschen im Sendegebiet angesichts des Starkregens und der überaus bedrohlichen Prognosen zu warnen und dadurch Leben zu retten, wickelte der öffentlich-rechtliche Sender die Katastrophe quasi im Rahmen einer Chronistenpflicht ab. Die hochdramatische Lage wurde zwar in den regelmäßigen nächtlichen Nachrichtensendungen erwähnt, aber eine intensive Live-Berichterstattung mit entsprechenden Warnungen erfolgte weder im eigenen Fernsehprogramm noch im WDR 2, dem Radiosender mit der höchsten Reichweite, auch nach Rheinland-Pfalz hinein.
Als das Jahrhunderthochwasser Nordrhein-Westfalen heimsuchte, strahlte das WDR-Fernsehen die Dokumentation Vom Traum zum Terror – München 72 über die Ereignisse während der Olympischen Sommerspiele vor bald 50 Jahren aus. Nicht einmal Eil-Einblendungen oder ein Laufband mit Informationen versorgten die Zuschauer mit aktuellen Erkenntnissen. Im Hörfunk sendete man ungerührt die ARD-Popnacht, während draußen Menschen verzweifelten und ums Leben kamen.
Dass durchaus auch eine andere Herangehensweise möglich gewesen wäre, bewiesen in jenen verhängnisvollen Stunden mehrere Lokalradiostationen und Kanäle auf sozialen Medien, die mit Tickern und Informationen durchgehend zur Stelle waren. Vor allem Radio Wuppertal leistete sehr gute Arbeit und ließ den mit Milliarden Gebührengeldern zwangsfinanzierten WDR alt aussehen. Während beim öffentlich-rechtlichen Giganten englisches Gedudel nervte, sendeten die Wuppertaler über viele Stunden durchgehend aus der Krisenregion. Am Folgetag wurden die Verantwortlichen mit Lob überhäuft. Ein Facebook-Kommentar fasst die Stimmungslage gut zusammen: «Vielen Dank für Eure unermüdlichen Berichterstattungen zu fast jeder Zeit! Und Dank an die Reporter, die überall vor Ort sind.»
Wie man es allerdings nicht angehen sollte, demonstrierte RTL-Reporterin Susanna Ohlen, die sich für die Sendung Guten Morgen, Deutschland aus Bad Münstereifel (NRW) gemeldet hatte, um über die Auswirkungen des Hochwassers zu berichten. Sie schilderte dabei auch, wie sie selbst angepackt und der in Not geratenen Bevölkerung tatkräftig geholfen habe. Ihr Sender feierte sie auf der eigenen Internetseite ausgiebig: «Aufräumarbeiten nach Flut: RTL-Moderatorin Susanna Ohlen packt in Bad Münstereifel mit an.» Vor der Schalte ins Studio hatte sich die Journalistin allerdings mit Schlamm beschmiert, offenbar, um authentischer zu wirken. Sie ahnte nicht, dass sie dabei gefilmt worden war. Der peinliche Video-Schnipsel fand weite Verbreitung, und Ohlen wurde wenig später als Folge dieses Fakes beurlaubt. RTL rief ihr hinterher: «Das Vorgehen unserer Reporterin widerspricht eindeutig journalistischen Grundsätzen und unseren eigenen Standards. Wir haben sie daher direkt am Montag, nachdem wir davon erfahren haben, beurlaubt.»
Unterlassene Hilfeleistung
Beim WDR gab es indes keinerlei personelle Konsequenzen nach dem Vollversagen rund um die Hochwasserkatastrophe. Dabei war durchaus öffentliche Kritik zu vernehmen gewesen. In einem Beitrag für das Onlineformat DWDL fand beispielsweise dessen Chefredakteur Thomas Lückerath deutliche Worte. Danach sei es Beitragszahlern «nicht mehr vermittelbar», wenn der «großzügig ausgestattete öffentlich-rechtliche Rundfunk, wie hier im Falle des WDR, es in akuten Krisensituationen nicht schafft, ein verlässliches Informationsangebot für das Sendegebiet zu liefern, was wohl unbestritten zur Kernaufgabe gehört».
«Sich auf den WDR zu verlassen, kann lebensgefährlich sein.» Thomas Lückerath
Für Politikwissenschaftler Lückerath, dessen Beitrag seinerzeit große öffentliche Aufmerksamkeit erreichen konnte, war dieses Vorgehen ganz und gar unverständlich: «Es ist ein Sinnbild für absurde Prioritäten, wenn das Radioprogramm der ARD-Popnacht zwar gewohnheitsmäßig mehrfach die Stunde für Staumeldung oder einen liegen gebliebenen Reifen auf der Fahrbahn irgendwo zwischen Frankfurt und Karlsruhe unterbrochen wird, aber die Radiohörerinnen und Radiohörer in NRW mit Katastrophenalarm und Evakuierungsanweisungen allein gelassen werden, weil in den trägen Behörden, die sich WDR Hörfunk oder WDR Fernsehen nennen, gar nicht vorgesehen scheint, dass sich mal jemand in einer außergewöhnlichen Situation auf den WDR verlassen wollen könnte.»
Weiter schrieb er: «Während die Talsperren überlaufen, mehrere Städte nächtliche Evakuierungen einleiten und Bürgerinnen und Bürger möglicherweise erstmals in ihrem Leben von den Sirenen des Katastrophenalarms aus dem Schlaf gerissen werden und möglicherweise verstört wissen wollen, was gerade los ist – unterlässt der WDR jede Hilfeleistung.» Lückeraths Fazit: «Sich auf den WDR zu verlassen, kann lebensgefährlich sein.»
Klima-Fakten
Die Toten waren noch nicht unter der Erde, als bereits versucht wurde, sie als Opfer des «menschengemachten Klimawandels» darzustellen. Die Daten des DWD geben diese Deutung der Unwetterkatastrophe allerdings nicht her: «In der Bundesrepublik ist bisher kein Trend zu mehr Tagen mit Starkniederschlag durch höhere Temperaturen zu verzeichnen. Das gilt laut Umweltbundesamt ebenso für die Häufigkeit von Flusshochwassern. Auch «die angebliche Wirkung der globalen Erwärmung auf den Jetstream {sich dynamisch verlagernde Starkwindbänder} wurde gerade erneut widerlegt», wie Welt-Chefreporter Axel Bojanowski den Stand der Wissenschaft mit Verweis auf neueste Studien zusammenfasste (15.7.2021).
Der Beitrag des DWDL-Betreibers wurde von zahlreichen großen Zeitungen ausführlich zitiert. Und tatsächlich wagten bald weitere Prominente Kritik an dem Sender. Fernseh-Meteorologe Jörg Kachelmann twitterte am Tag nach der Hochwasserkatastrophe empört: «Sie senden irgendeinen Scheiß und lassen die Leute ersaufen.» Ulrich Deppendorf, ehemaliger Leiter des ARD-Hauptstadtstudios und bekanntes Gesicht des Ersten, äußerte sich ebenfalls via Twitter: «Die schwersten Unwetter in Deutschland, und in der ARD gibt es keinen Brennpunkt! Ist das die neue ”Informationsoffensive” der neuen ARD-Programmdirektion? So beschädigt man die Informationskompetenz der ARD.»
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