Amerikas militärische Demütigung

UnHerd, Aris Roussinos

Als die letzten US-Truppen am 30. August 2021 aus Kabul abgezogen wurden, markierte dies das Ende einer 20-jährigen militärischen Präsenz in Afghanistan – und eine der größten Demütigungen in der Geschichte der amerikanischen Streitkräfte. Chaotische Szenen am Flughafen von Kabul, wo verzweifelte Afghanen an startenden Flugzeugen hingen, prägten sich in das globale Bewusstsein ein. Der Rückzug, der als geordnet geplant war, wurde zu einem Symbol für den Niedergang der amerikanischen Macht. Doch vier Jahre später bleibt die Frage: Wie konnte es so weit kommen, und was bedeutet dies für Amerikas Rolle in der Welt?

Die Wurzeln der Niederlage

Die Niederlage in Afghanistan war kein plötzlicher Zusammenbruch, sondern das Ergebnis von zwei Jahrzehnten strategischer Fehltritte. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 starteten die USA die Operation Enduring Freedom, um al-Qaida zu zerschlagen und die Taliban zu stürzen. Der anfängliche Erfolg war schnell: Die Taliban wurden innerhalb von Wochen aus Kabul vertrieben. Doch anstatt eine stabile Regierung zu etablieren und sich zurückzuziehen, verstrickten sich die USA in einen langwierigen Nation-Building-Prozess, der weder kulturell noch logistisch tragfähig war.

Ein Bericht des Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) aus dem Jahr 2023 fasste die Probleme zusammen: Übermäßige Abhängigkeit von westlichen Modellen der Regierungsführung, Korruption in der afghanischen Regierung und eine schlecht ausgebildete afghanische Armee, die oft mehr auf dem Papier als in der Realität existierte. Die USA gaben über 2 Billionen Dollar aus, doch laut SIGAR wurden „die Grundlagen für eine nachhaltige Stabilität nie geschaffen“. Die Taliban, die in ländlichen Gebieten operierten, nutzten diese Schwächen und bauten ihre Machtbasis kontinuierlich aus.

Strategische Fehlentscheidungen

Ein zentraler Fehler war die Ablenkung durch den Irak-Krieg. Ab 2003 verlagerten die USA Ressourcen und Aufmerksamkeit vom Hindukusch in den Mittleren Osten, was den Taliban Raum gab, sich neu zu organisieren. Ein Bericht der RAND Corporation stellte fest, dass die US-Truppenstärke in Afghanistan bis 2005 auf weniger als 20.000 Soldaten sank, während die Aufständischen ihre Taktiken verfeinerten, einschließlich improvisierter Sprengsätze (IEDs), die zu den Hauptursachen für US-Verluste wurden.

Gleichzeitig setzte die Obama-Regierung ab 2009 auf eine „Surge“-Strategie, die die Truppenstärke auf über 100.000 erhöhte. Doch wie die Washington Post in ihren Afghanistan Papers enthüllte, wussten US-Beamte oft, dass ihre Bemühungen scheiterten, berichteten aber öffentlich von Fortschritten. Ein hochrangiger Offizier wurde zitiert: „Wir haben keine Ahnung, was wir hier tun.“

Die Rolle der afghanischen Regierung

Die afghanische Regierung, angeführt von Präsident Ashraf Ghani, war ein weiterer Schwachpunkt. Korruption war endemisch: Laut Transparency International gehörte Afghanistan zu den korruptesten Ländern der Welt. Gelder für den Wiederaufbau wurden veruntreut, und die afghanische Armee war schlecht ausgerüstet und demoralisiert. Als die Taliban im August 2021 ihre Offensive starteten, floh Ghani ins Ausland, und die Armee kapitulierte weitgehend kampflos. Laut einem Bericht des Council on Foreign Relations war die afghanische Armee „eine Fassade, die nur durch US-Unterstützung aufrechterhalten wurde“.

Der Rückzug: Ein logistischer Albtraum

Die Entscheidung von Präsident Joe Biden, den Rückzug bis August 2021 abzuschließen, war politisch motiviert, um das 20-jährige Jubiläum des 11. September zu markieren. Doch die Umsetzung war katastrophal. Der Rückzug begann mit der Schließung der Bagram Air Base im Juli 2021, ohne die afghanischen Streitkräfte ausreichend zu informieren, was laut The New York Times Chaos auslöste. Der Flughafen von Kabul wurde zum einzigen Evakuierungspunkt, was zu den ikonischen Szenen verzweifelter Menschenmassen führte.

Ein Bericht des U.S. Department of Defense

Die geopolitischen Konsequenzen

Die Demütigung in Afghanistan hat Amerikas globale Stellung geschwächt. Verbündete stellten die Zuverlässigkeit der USA infrage, insbesondere nach dem einseitigen Rückzug ohne ausreichende Konsultation der NATO-Partner. Ein Kommentar in Foreign Affairs warnte, dass „die Glaubwürdigkeit der USA als Sicherheitsgarant in Asien und Europa gelitten hat“.

China nutzte die Gelegenheit, um die USA zu kritisieren und seine eigene Stabilität zu betonen. Ein Artikel in der Global Times, einer Zeitung der chinesischen Regierung, nannte den Rückzug „einen Beweis für den Niedergang des amerikanischen Imperiums“. Gleichzeitig haben Länder wie Russland und der Iran ihre Zusammenarbeit mit den Taliban vertieft, was die regionale Machtbalance verändert hat, wie ein Bericht des Carnegie Endowment beschreibt.

Interne Spaltungen

In den USA hat der Rückzug politische Spaltungen vertieft. Republikaner kritisierten Bidens Führung, während einige Demokraten den Rückzug als notwendiges Ende eines aussichtslosen Krieges verteidigten. Eine Umfrage des Pew Research Center zeigte, dass 54 % der Amerikaner den Rückzug unterstützten, aber 69 % die Durchführung als schlecht organisiert ansahen. Der Tod von 13 US-Soldaten bei einem Selbstmordanschlag am Flughafen Kabul, verübt von ISIS-K, verstärkte die Kritik.

Lektionen für die Zukunft

Vier Jahre nach dem Rückzug bleiben die Lektionen aus Afghanistan relevant. Erstens zeigt die Niederlage die Grenzen von Nation-Building in kulturell und politisch komplexen Regionen. Ein Bericht der Brookings Institution empfahl, zukünftige Interventionen auf klare, erreichbare Ziele zu beschränken. Zweitens unterstreicht der Rückzug die Notwendigkeit besserer Planung und Koordination mit Verbündeten. Drittens hat die Rolle der Desinformation – sowohl intern als auch extern – die öffentliche Wahrnehmung des Krieges verzerrt, wie ein Bericht des Atlantic Council zeigt.

Die Zukunft der amerikanischen Macht

Afghanistan hat Amerikas militärische und moralische Autorität geschwächt, aber es ist nicht das Ende seiner globalen Rolle. Die USA bleiben die größte Militärmacht der Welt, mit einem Verteidigungsbudget von über 800 Milliarden Dollar im Jahr 2025, laut Stockholm International Peace Research Institute. Doch die Demütigung in Kabul hat die Wahrnehmung verändert. Länder wie China und Russland nutzen dies, um ihre eigenen Narrative zu pushen, während Verbündete wie die NATO-Mitglieder ihre Abhängigkeit von den USA überdenken.

Für die USA ist die Herausforderung, aus Afghanistan zu lernen, ohne in Isolationismus zu verfallen. Wie ein Kommentar in The National Interest feststellte, müssen die USA „eine Balance zwischen Engagement und Zurückhaltung finden“. Die Welt beobachtet genau, wie Amerika auf diese Demütigung reagiert – und ob es seine Führungsrolle zurückgewinnen kann.

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Über den Autor
Aris Roussinos ist Kolumnist bei UnHerd und ein ehemaliger Kriegskorrespondent, der aus Konfliktzonen in Afrika, dem Nahen Osten und Asien berichtet hat. Seine Arbeit konzentriert sich auf Geopolitik, Konflikte und die kulturellen Auswirkungen globaler Ereignisse.