George Christensen
„Der Heilige Geist ist den Nachfolgern Petri nicht verheißen worden, damit sie durch seine Offenbarung eine neue Lehre bekanntmachen, sondern damit sie mit seiner Hilfe die überlieferte Offenbarung der Apostel heilig bewahren und treu auslegen.“
— Pastor Aeternus, Erstes Vatikanisches Konzil (Denz. 1836)
Die Wahl von Papst Leo XIV. – Kardinal Robert Francis Prevost – wurde als historisch gefeiert: der erste amerikanische Papst, ein missionarischer Seelsorger, ein Mann des „Dialogs“. Doch für diejenigen, die das munus petrinum, das von Gott eingesetzte Amt zur Bewahrung des Glaubensgutes, ernst nehmen, wirft sein bisheriges öffentliches Wirken ernste Fragen auf.
Ein Papst muss nicht perfekt sein, um rechtmäßig zu sein. Doch wenn Klarheit zugunsten von Zweideutigkeit aufgegeben wird und pastorale Sensibilität zur Verwischung moralischer Grenzen genutzt wird, haben die Gläubigen nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, wachsam zu sein. Wie schon sein Vorgänger Franziskus scheint Leo XIV. eine Theologie der Begleitung über Korrektur, Kultur über Katechese und Konversation über Klarheit zu stellen. Diese gut gemeinten Instinkte können das Petrusamt in einer moralisch verwirrten Zeit gefährlich verzerren.
1. Er untergräbt die moralische Klarheit durch Duldung gleichgeschlechtlicher Segnungen
Am deutlichsten wird dies in seiner Haltung zur sexuellen Revolution innerhalb der Kirche. 2012 warnte Prevost noch vor westlichen Medien, die Sympathie für Praktiken wie den „homosexuellen Lebensstil“ weckten, der im Widerspruch zum Evangelium stehe. Doch 2024 verteidigte er die afrikanischen Bischöfe, die das vatikanische Dokument Fiducia Supplicans zu gleichgeschlechtlichen Segnungen ablehnten, mit dem Hinweis, dessen „Anwendung“ würde in Afrika nicht „funktionieren“. Er vermied es, die katholische Lehre zu wiederholen, wonach solche Verbindungen in sich ungeordnet sind. So ersetzt kulturelle Anpassung die Wahrheitsfrage – eine moralisch bedenkliche Relativierung.
2. Er lehnt die thomistische Liebesordnung ab und ersetzt Gerechtigkeit durch Sentimentalität
Als JD Vance Anfang 2025 unter Berufung auf Thomas von Aquins ordo caritatis betonte, dass Familie und Nation moralisch Vorrang haben, widersprach Leo XIV. öffentlich mit den Worten: „Jesus bittet uns nicht, unsere Liebe zu rangieren.“ Doch damit leugnet er ein zentrales moralisches Prinzip. Aquin lehrt klar, dass Liebe hierarchisch ist und wir unseren Nächsten im natürlichen und familiären Bund mehr schulden als Fremden. Sentimentalität anstelle von Gerechtigkeit führt zur moralischen Auflösung.
3. Er betont die Synodalität und schwächt das lehramtliche Papstamt
Wie sein Vorgänger Franziskus ist auch Leo XIV. ein Verfechter der Synodalität. Er spricht von einer „zuhörenden Kirche“, die mehr daran interessiert sei, die „Schönheit und Freude an Jesus“ zu vermitteln, als Lehre zu verkünden. Doch dies ist eine falsche Gegenüberstellung: als ob Wahrheit der Freude im Weg stünde. Der Papst soll nicht nur begleiten, sondern auch lehren und mit der Autorität Christi binden und lösen. Das Erste Vatikanum ist hier eindeutig: Neue Lehren sind nicht seine Aufgabe, sondern die treue Bewahrung des überlieferten Glaubens.
4. Er hat Gerechtigkeit in Missbrauchsfällen nicht vollständig durchgesetzt
Als Bischof von Chiclayo in Peru traf Prevost Missbrauchsopfer und leitete Voruntersuchungen ein. Doch lokale Berichte zeigen: Es folgten weder kanonische Prozesse noch Sanktionen. Ob aus Nachlässigkeit oder Fehlurteil – solche Versäumnisse untergraben die Glaubwürdigkeit kirchlicher Moral. Gerechte Absichten reichen nicht. Es braucht Taten, die der Wahrheit verpflichtet sind. Auch hier scheint der Wunsch nach Dialog das Handeln ersetzt zu haben.
5. Er vermischt Orthodoxie mit Modernismus und stiftet Verwirrung
Leo XIV. hat sich nicht dem Extrem des Modernismus verschrieben. Er bestätigte, dass Frauen nicht geweiht werden können, im Einklang mit Ordinatio Sacerdotalis und der Glaubenskongregation. Er lehnt die Gender-Ideologie ab und sprach sich gegen Programme aus, die Kindern fluide Geschlechterrollen vermitteln. Seine Fürsprache für Arme, Migranten und die Umwelt steht in Kontinuität zur kirchlichen Soziallehre.
Doch selbst solche Verdienste können pervertiert werden, wenn sie vom übergeordneten Ziel getrennt werden: der Rettung der Seelen und der klaren Verkündigung der Wahrheit. Die eigentliche Gefahr liegt in der Grauzone: Ein Papst, der in der Theorie festhält, in der Praxis aber verwässert. Einer, der von Liebe spricht, aber Sünde nicht benennt. Einer, der Tradition bejaht, sie aber durch pastorale „Flexibilität“ untergräbt.
Das ist nicht die Standfestigkeit Petri. Es ist die Konzilianz des Pilatus.
Natürlich gilt: Unsere Kenntnis von Papst Leo XIV. stützt sich bislang auf das Wirken von Kardinal Prevost – auf seine Texte, Interviews und sein Verhalten als Seelsorger. Doch nun sitzt er auf dem Stuhl Petri, einem Amt, das alles verändern kann. Die Verantwortung, das Glaubensgut zu bewahren und klar zu sprechen, könnte auch ihn verändern. Vielleicht ist Robert Prevost nicht mehr derselbe wie Leo XIV. Die Zeit wird es zeigen.
Wir verurteilen nicht. Wir beten. Wir hoffen auf seinen Mut. Aber wir schweigen nicht.
Die Kirche braucht einen Papst wie Leo den Großen, der Attila dem Hunnen entgegentrat – keinen Diplomaten für Davos. Wir brauchen einen Hirten, der seine Brüder stärkt, nicht verwirrt. Einen Papst, der lehrt, dass Jesus die Wahrheit ist – nicht nur ein Gesprächspartner.
Im Moment haben wir Papst Leo XIV.
Beten wir, dass er der wird, der er vor Gott sein soll: kein Brückenbauer – ein Fels.
Und der treue Überrest?
Er sei, was die Kirche immer braucht: unerschütterlich, klar, barmherzig und furchtlos.