
Mit Hendrik Streeck und Klaus Stöhr startete im Sächsischen Landtag der erste Untersuchungsausschuss zur Corona-Maßnahmenzeit. Während Stöhr deutliche Kritik an der politischen Einflussnahme auf das RKI äußerte, blieb Streeck vorsichtiger und sprach von Reformbedarf. Doch wie tief reicht die Aufarbeitung wirklich? Ging es um vergangene Fehler oder nur um ein effizienteres Pandemiemanagement der Zukunft? Eine Reportage dokumentiert die teils kontroverse Debatte – und wirft neue Fragen auf.
Gastbeitrag von Claudia Jaworski
Nun hat er also — wenn auch mit dem Widerwillen einiger Fraktionen — stattgefunden, der erste Untersuchungsausschuss im Sächsischen Landtag zur Aufklärung der Corona-Maßnahmenzeit, der C-Zeit. Forciert wurde der Ausschuss von der Partei AfD. Den Auftakt in Dresden bildeten am 06.03.2025 die sachverständigen Virologen Prof. Dr. Streeck und Prof. Dr. Stöhr. Zwei Kenner der Materie, die auf der offiziellen Bühne der Experten zu den Wenigen gehörten, die bereits zu Beginn der Maßnahmen die Krisenkommunikation der Bundesregierung kritisierten, woraufhin sie während der C-Zeit selbst zum Gegenstand der Kritik wurden.
Das Reporterteam „Die Jaworskis“, das neben Epoch Times als einzige kritische Pressevertreter zugelassen wurde, begleitete mit seiner Kamera den Corona-Untersuchungsausschuss. Obgleich man bei der Aufarbeitung größtmögliche Transparenz erwarten konnte, durften alle Pressevertreter nur die Eingangsstatements der einvernommenen Virologen filmen. Auch Livesterams wurden nicht genehmigt. Die 15-minütige Reportage (siehe Link zu YouTube) fasst die siebenstündige Anhörung mit Zuschauermeinungen, Statements der Sachverständigen und einiger Fraktionen dennoch gut zusammen.
Zu der intensiven Einvernahme von Prof. Dr. Streeck und Prof. Dr. Stöhr, welche filmisch nicht begleitet werden konnte, ziehen die Reporterinnen Claudia und Natali Jaworski folgendes Fazit:
Vor dem Hintergrund der veröffentlichten RKI-Protokolle hätte man hier schärfere Kritik am Regierungshandeln auch des Landes Sachsen erwartet als die bloße übereinstimmende Erwähnung der allseits bekannten Tatsache, dass Kinder nie die Treiber der Pandemie waren. Mit dieser schwachen Form einer konsensfähigen Kritik ist nicht zu erwarten, dass die Sachverständigen und auch die Regierungen in Bund und Land zukünftig mit starkem Gegenwind zu rechnen haben, wenn sie die Corona-Maßnahmen als Blaupause verstanden wissen wollen.
Beide Sachverständige richteten nämlich ihre Antworten mehr auf die Zukunft aus, im Sinne von „wir müssen Lehren ziehen, damit wir für zukünftige Pandemien gewappnet sind“ und weniger auf die Vergangenheit und die damit notwendig gewordenen strukturellen und personellen Konsequenzen, die man angesichts der Fehler der Regierungen von Bund und Ländern ziehen müsste.
Man stellt sich unweigerlich die Frage, ob man hier wirklich eine tiefgründige Aufarbeitung mit all ihren nötigen Konsequenzen anstrebt oder lediglich eine Effizienzsteigerung des Maßnahmenmanagements für die Zukunft. Eine scheinbar mangelnde Datenlage begünstigt die letztere Haltung, weil es angeblich keine Daten gibt, die damals und damit auch heute auszuwerten wären. Doch ist das zutreffend? Oder gab es Daten für die Bewertung der Verhältnismäßigkeit und Adäquanz der Maßnahmen?
Aus Sicht des Datenanalysten Tom Lausen, der noch als Sachverständiger vorgeladen werden könnte, konnte bereits ab Mitte 2020 aus den Krankhausdaten bewertet werden, welche Maßnahmen sinnvoll waren, zumal im Krankenhaus das Geschehen der Kranken und Sterbenden stattfindet. Zudem wurden die Krankenhausdaten permanent aktualisiert. Für eine auf die Vergangenheit bezogene Analyse scheint ein Wissenstransfer zwischen Datenanalysten und Virologen unabdingbar zu sein.
Obgleich aus der Sicht jener, die beträchtliche Schäden davongetragen haben, das Antwortverhalten der beiden Sachverständigen zu schwach war, zeigte sich dennoch ein großer Kontrast in der Offenheit und der Direktheit der Aussagen. Während Prof. Dr. Streeck, der jüngst zum Bundestagsabgeordneten der CDU gewählt wurde, sich eher bedeckt hielt und in vorsichtigen Worten von einer „Reformierung des RKI und des PEI“ und einer „Professionalisierung des Spannungsfeldes zwischen Wissenschaft und Politik“ sprach, zog Prof. Dr. Stöhr in seinem offensiven Eingangsstatement jeglicher Verklärung der damaligen Krisenkommunikation schon mal den Zahn. „Das RKI wurde politisch vereinnahmt“. Es haben sich einige „sogenannte Experten zur Leitinstanz aufgeschwungen. [..] Jeder Wissenschaftler hätte es von Beginn an erkennen müssen”, so Prof. Dr. Stöhr, „dass die Zulassungsstudien, von denen das Versprechen ausging, dass die COVID-Impfstoffe vor Ansteckung und Übertragung schützen, selbst nie hätten zugelassen werden dürfen.“ „Es war epidemiologisch ein Fehler, nicht die schweren Verläufe, sondern die Inzidenz zum alleinigen Kriterium zu wählen.“
Übrig bleibt aus Sicht beider Sachverständiger der Schutz vor „schweren Verläufen“. Wobei man hier anmerken muss, dass ein möglicher Schutz vor schweren Verläufen keine Indikation der Impfungen war und bis heute nicht ist. Für Comirnaty steht in der Packungsbeilage: „Comirnaty ist ein Impfstoff zur Vorbeugung von COVID-19 (Coronavirus-Erkrankung-2019), das durch SARS-CoV-2 verursacht wird.“ Kein Wort von schweren Verläufen. In diesem Zusammenhang wäre dann eine Behandlung zur Vorbeugung gegen schwere Verläufe eine sogenannte „Off-Label“-Behandlung, die jeder Arzt selbst zu verantworten hätte, weil für eine Behandlung mit diesem Ziel keine Zulassung besteht.
Worin sich beide Virologen ebenfalls einig waren, war der Umstand, dass man die Maßnahmen hätte viel früher beenden müssen. Die Kollateralschäden haben ordentlich zu Buche geschlagen. Entsprechend ließe sich die Übersterblichkeit auch eher am Ende einer Pandemie vollständig erfassen. Auch hier äußerte sich Prof. Dr. Stöhr deutlicher: „Andere Länder hätten eine geringere Übersterblichkeit und man müsse sich fragen, was sie besser gemacht haben.“
Im direkten Vergleich beider zeigte sich: je größer die Fehlerkultur, desto liberaler sieht das künftige Pandemiemanagement-System aus. Denn während Prof. Dr. Stöhr auf das schwedische Modell setzt, das an die Freiwilligkeit des Einzelnen und an den gesunden Menschenverstand appelliert, ist Prof. Dr. Streeck der Auffassung, dass es eine stärkere staatliche Seuchenbekämpfung brauche, weshalb man eher auf das englische Modell setzen müsse. Dabei stehe eine flächendeckende, bessere, umfassendere und detailliertere Datenerfassung im Vordergrund, die die Entscheidung über Maßnahmen rechtfertigen müsse, sodass diese Art des Pandemiemanagements als Government scientific adviser, also als „wissenschaftliche Regierungsberatung“, verstanden werden kann.
Auch wird weiterhin zu fragen sein, ob man es hätte besser wissen müssen oder es tatsächlich besser wusste. Denn auch davon hängt ab, wie tiefgründig die Aufarbeitung erfolgen müsste. Während das Antwortverhalten der beiden vom Tenor getragen waren, „man hätte es besser wissen müssen“, lässt Prof. Dr. Stöhr in der direkten Konfrontation (siehe Reportage) die Frage des Vorsatzes zu und nimmt den Gesundheitsminister Prof. Dr. Lauterbach nicht aus. „Wenn sich Herr Lauterbach Ende 2023 hinstellt und sagt ‚wir haben es nicht besser gewusst, dass die Kinder keine Treiber der Pandemie sind‘, dann hat das wenig mit Ignoranz und Inkompetenz zu tun“.
Das Frageverhalten der einzelnen Fraktionen war sehr unterschiedlich. Die Fraktionen AfD und BSW haben den größten Eifer an den Tag gelegt, während die Grünen und die SPD gar keine bis wenige Fragen gestellt haben. Die Linke überraschte mit ihren sehr direkten und konfrontativen Fragen, die Wut und Entsetzen durchscheinen ließen, nach dem Motto, was war das, die letzten fünf Jahre?
„Hatten wir jetzt eine Pandemie?“, „Haben die Maßnahmen gewirkt?“, „War es medizinisch gewollt, Maßnahmen zu ergreifen?“. So direkt die Fragen auch waren, für Prof. Dr. Streeck waren sie zu allgemein. Bei der Frage, ob die Impfung nun einen Nutzen gebracht habe, antwortete Prof. Dr. Streeck sehr differenziert: „Man müsse ein unterschiedliches Schutzverhalten bei unterschiedlichen Varianten an den Tag legen.“
Schauen wir also weiterhin zu, was sich hier im Sächsischen Landtag entwickelt. Vielleicht eine Blaupause für einen Bundes-Corona-Untersuchungsausschuss …