anonymousnews.org – Nachrichten unzensiert
Attentäter von Magdeburg: Die Geheimakte Taleb al-Abdulmohsen
Taleb al-Abdulmohsen, der bei einer Amokfahrt in Magdeburg sechs Menschen ermordete, war den Sicherheitsbehörden lange bekannt. Ein Geheimpapier, das der Redaktion vorliegt, dokumentiert das jahrelange Behördenversagen.
von Sven Versteegen
Am 20. Dezember 2024 rast Taleb al-Abdulmohsen mit einem geliehenen SUV auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt. Sechs Menschen, darunter ein neunjähriger Junge, sterben. Fast 300 Menschen werden verletzt. Den deutschen Sicherheitsbehörden war der Migrant bekannt.
Seit der Ersteinreise von al-Abdulmohsen im März 2006 nach Hamburg sammelte der Saudi-Araber 105 Vorgänge bei diversen Sicherheitsbehörden. Das geht aus einem vertraulichen Dokument hervor, das der Redaktion vorliegt – adressiert an den Innenausschuß des Deutschen Bundestages. Verantwortlich für das Papier ist das Bundeskriminalamt (BKA). Zwischen April 2013 und seiner Tat im Dezember 2024 beschäftigte al-Abdulmohsen Behörden aus sieben Bundesländern – Bayern, Berlin, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt – sowie zahlreiche Bundesbehörden vom BKA bis zum Bundesnachrichtendienst (BND) und dem Verfassungsschutz bis zum Kanzleramt.
Auf der 16seitigen „Chronologie: Vorgangs- und Verfahrensübersicht zur Person Taleb Jawad Hussein al-Abdulmohsen“ sind auch Warnungen ausländischer Geheimdienste enthalten. Sicherheitsbehörden aus Saudi-Arabien, Kuwait und Großbritannien wiesen – zum Teil wiederholt – auf al-Abdulmohsen hin. Unsere Redaktion dokumentiert das Versagen der Behörden im Fall des Magdeburger Attentäters.
2013
Im April 2013 tritt al-Abdulmohsen wegen des Verdachts der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten – Paragraph 126 Strafgesetzbuch – erstmals polizeilich in Erscheinung. Nachdem die Ärztekammer ihn aufgefordert hatte, Dokumente einzureichen, drohte er Handlungen an, die „internationale Beachtung finden“ würden. Sein Vorbild sei der Anschlag auf den Boston-Marathon einen Tag zuvor.
Daraufhin nimmt die Kriminalpolizeiinspektion Rostock den Fall auf. Nach dreitägiger Ermittlungsarbeit konnten „keine gefährdungsrelevanten Erkenntnisse gewonnen“ werden, heißt es in der Chronologie. Das Amtsgericht verurteilt al-Abdulmohsen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je zehn Euro – nicht die Letzte. Zudem erhält er einen Eintrag ins Bundeszentralregister. Vorbestraft im Sinne des polizeilichen Führungszeugnisses ist er dadurch nicht.
Im Mai 2013 stellte die Kriminalpolizeiinspektion Rostock einen Antrag auf psychologische Untersuchung von al-Abdulmohsen. Ob es zu einer Evaluation kam, geht nicht aus der Chronologie hervor. Da er bisher keinen wirksamen Asylantrag gestellt hat, bittet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) die Ausländerbehörde, eine Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung zu veranlassen. Die Behörde kommt der Bitte im Juni 2013 nach.
2014
Das neue Jahr beginnt für al-Abdulmohsen mit einem Verfahren wegen des Verdachts der Nötigung – Paragraph 240 Strafgesetzbuch. Im Januar 2014 soll er „gegenüber einer Mitarbeiterin des Ordnungsamtes Stralsund in aggressiver und drohender Weise geäußert haben, daß er Handlungen / Taten mit ‘internationaler Beachtung‘ ausführen“ wolle. Dieselbe Drohung wie im April des Vorjahres. Auch fragte er, ob die Mitarbeiterin „für seinen Suizid verantwortlich sein wolle“.
Eine Woche später führt die Kriminalpolizeiinspektion Anklam eine Gefährderansprache aufgrund der Vorkommnisse im Ordnungsamt durch. Dabei handelt es sich um eine polizeiliche Maßnahme, bei der eine Person, die als potentielle Gefahr für die öffentliche Sicherheit eingestuft wird, präventiv auf ihr Verhalten hingewiesen und vor möglichen rechtlichen Konsequenzen gewarnt wird.
Im Juli 2014 erreicht das Bundesamt für Verfassungsschutz eine Warnung aus Saudi-Arabien. Al-Abdulmohsen habe dem saudi-arabischen Botschafter gedroht, Rache dafür zu üben, daß ihm ein Stipendium entzogen worden sei. „Er werde eine Armee gründen und das saudi-arabische Volk von der Königsfamilie befreien“, heißt es in der Chronologie. Der Verfassungsschutz verweist den Fall an das zuständige Landeskriminalamt.
Ein Verfahren wegen des Verdachts der Beleidigung – Paragraph 185 Strafgesetzbuch – wird im Oktober eröffnet. Im Juni 2016 wird das Verfahren aufgrund mangelnder Beweise durch die Staatsanwaltschaft Rostock eingestellt.
2015
Anfang Februar 2025 stellen die saudi-arabischen Behörden eine Erkenntnisanfrage an das deutsche BKA. Sie sind wegen der Bedrohung durch al-Abdulmohsen gegen die Botschaft des Königreich Saudi-Arabiens und seiner Mitarbeiter besorgt und erbitten Informationen über seine Person und dessen Kontakte. In seiner Vermittlerrolle leitet das BKA die Anfrage an fünf Landeskriminalämter und den Verfassungsschutz weiter. „Mangels verfassungsschutzrelevanter Informationen“ verfolgt das Amt den Fall nicht. Ausschließlich das LKA Mecklenburg-Vorpommern leitet Erkenntnisse zu zwei Sachverhalten zurück an das BKA.
Noch im selben Jahr beleidigt al-Abdulmohsen zwei Richter und droht, „sich eine Pistole zu kaufen und zwei Richter zu erschießen“, heißt es in der Chronologie. Er habe sich von den Richtern ungerecht behandelt gefühlt. Zudem fordert er eine Änderung des Grundgesetzes, da dieses „ausländerfeindlich“ sei. Verfahren wegen des Verdachts der Beleidigung und Bedrohung werden von den Staatsanwaltschaften Rostock und Stralsund eingestellt.
2016
Mit dem Jahreswechsel verläßt al-Abdulmohsen offenbar Mecklenburg-Vorpommern. In den folgenden Jahren beschäftigt er die Behörden in Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen. Bei der Stellung seines Asylantrags bei der Bamf-Außenstelle Halberstadt im Februar 2016 soll er beleidigt worden sein. Er erstattet Strafanzeige.
Wenige Tage später wird er in der Bamf-Außenstelle angehört. Dort berichtet al-Abdulmohsen, daß sein Vater verstorben sei, seine Mutter und Geschwister im Heimatland leben würden. Er habe ein Abitur abgeschlossen und Medizin studiert. Den Asylantrag stelle er, da der saudi-arabische Kulturattaché gesagt habe, man werde ihn – also al-Abdulmohsen – bei Rückkehr ins Heimatland hinrichten. Grund dafür sei, daß er sich bereits im Jahr 2000 vom Islam abgewandt und ein kritisches Buch über die Religion verfaßt habe.
Sein Buch „Creative Refutation of Islam“ ist wohl nie entstanden. Auf der Seite Indiegogo sammelte al-Abdulmohsen Spenden, um ein Buch mit „innovativen Argumenten gegen den Islam“ zu schreiben. Von den angepeilten 97.155 Euro kamen lediglich 131 Euro von vier Unterstützern zusammen. Das sind weniger als ein Prozent des Ziels. Im Juli 2016 erhält al-Abdulmohsen einen positiven Asylbescheid. Er gilt in Deutschland nun offiziell als „Flüchtling“.
2017
Dem Verfassungsschutz fällt al-Abdulmohsen erstmals 2017 als Betreuer und Sprachmittler eines aus Saudi-Arabien geflohenen Militärangehörigen auf. Er unterstützt auch weitere Asylbewerber aus Saudi-Arabien. Darüber wird auch der BND informiert. Noch im Januar wird ein Verfahren wegen des Verdachts des sexuellen Übergriffs – Paragraph 177 Strafgesetzbuch – eröffnet. Er habe eine Frau gegen ihren Willen geküßt und auf seinen Schoß gesetzt. Die Ermittlungen werden aufgrund der Geringfügigkeit – Paragraph 153 Strafprozeßordnung – eingestellt.
Die saudi-arabischen Behörden melden sich im Mai 2017 erneut in Deutschland. Al-Abdulmohsen habe in Tweets dazu aufgerufen, Systeme zur Elektronischen Datenverarbeitung (EDV-Systeme) anzugreifen. Saudi-Arabien spricht in dem Kontext von „hetzartigem Inhalt“. Das BKA übermittelt die Daten an das LKA Mecklenburg-Vorpommern, das sich aufgrund des Wohnsitzwechsels mit dem LKA Sachsen-Anhalt austauscht. In seiner Nachricht an das LKA fügt das BKA bei, daß die Aussagen in Deutschland durch die Meinungsfreiheit gedeckt seien könnten. „Staatsschutzrelevante Erkenntnisse lägen nicht vor.“
Magdeburgs Stadtsparkasse meldet im September 2017 eine auffällige geplante, aber nicht erfolgte Überweisung in Höhe von 200.000 Euro aus Saudi-Arabien an al-Abdulmohsen nach Deutschland. Der Verfassungsschutz bearbeitet den Fall nicht weiter, da keine Verdachtsmomente vorliegen.
2018
Den Behörden gönnt al-Abdulmohsen ein ruhiges Jahr. Eine Person weist im Dezember 2018 das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge darauf hin, daß al-Abdulmohsen andere Asylbewerber anweise, wie sie im Verfahren lügen müssen, um einen positiven Bescheid zu erhalten. Es wird kein Ermittlungsverfahren eingeleitet und der Verfassungsschutz bewertet: „keine VS-Relevanz, keine Veraktung“.
Dabei könnte es sich allerdings um eine Straftat handeln. Die Anstiftung oder Beihilfe zu einer Straftat – Paragraphen 26 und 27 Strafgesetzbuch – sind strafbar. Ebenso die Täuschung im Rechtsverkehr beispielhaft durch Betrug – Paragraph 263 Strafgesetzbuch. Und selbst wenn kein Straftatbestand unmittelbar erfüllt ist, kann das Anleiten zum Belügen von Behörden zivilrechtliche oder ordnungsrechtliche Konsequenzen haben.
2019
Zunächst wird al-Abdulmohsen vorgeworfen, eine Frauenrechtsaktivistin bedroht zu haben. Allerdings kann die Kölner Polizei keinen Bedrohungssachverhalt feststellen, daher wird kein Verfahren eingeleitet. Kurz darauf zeigt er drei Mitglieder des Vereins „Säkulare Flüchtlingshilfe Deutschland e.V.“ wegen des Verdachts der Spionage für Saudi-Arabien an. Diese würden Migranten ausspionieren und fehlerhaft beraten, damit sie negative Asylbescheide erhalten. Der Verdacht erhärtet sich nicht.
Daher wird ein Verfahren wegen des Verdachts der falschen Verdächtigung – Paragraph 164 Strafgesetzbuch – eröffnet. Daraufhin von der Staatsanwaltschaft Magdeburg jedoch eingestellt. Ende Januar stellt al-Abdulmohsen eine weitere Strafanzeige, diesmal gegen das Münchner Stadtjugendamt. Dieses bearbeite ein Asylverfahren nicht.
Die nächsten Vermerke stammen aus März, April und Mai. Interpol Kuwait wendet sich an das BKA mit dem Hinweis, eine kuwaitische Staatsangehörige sei in Tschechien einem Internetbetrug durch al-Abdulmohsen zum Opfer gefallen. Der Vorwurf wird durch die deutschen Behörden gereicht und führt letztlich zu „keinen weiteren Erkenntnissen“. Weiter wird vermerkt, daß er als Begleiter einer kuwaitischen Antragstellerin auftritt. Ob es sich um dieselbe Frau handelt, geht nicht aus der Chronologie hervor. Mit der Causa waren der BND, das BKA, LKA Sachsen-Anhalt, Bamf und Verfassungsschutz beschäftigt.
Im Mai sendet die kuwaitische Botschaft eine Verbalnote an das Auswärtige Amt in Berlin. Al-Abdulmohsen rufe alle Bürgerinnen der Golfstaaten zur Flucht auf. Eine Weitergabe des Außenministeriums an den Verfassungsschutz führt ins Nichts: „keine Relevanz für BfV, keine weitere Bearbeitung.“
Den Spionageverdacht gegen die „Säkulare Flüchtlingshilfe Deutschland e.V.“ beschäftigt al-Abdulmohsen weiterhin. Er teilt im späten Juli 2019 seine Theorie dem Social-Media-Team der Polizei Berlin auf Twitter mit. Der BND erfaßt ihn als wahrscheinlichen Oppositionellen des Königreiches Saudi-Arabien.
2020
Beinahe exakt ein Jahr nach den Tweets an die Berliner Polizei wird al-Abdulmohsen von Unbekannten als „Menschenhändler“ bezeichnet und beschuldigt, Terroristen aus Syrien und dem Irak nach Deutschland zu schleusen. Das LKA Berlin geht von einer gezielten Denunzierung aus, Erkenntnisse liegen keine vor. Auch der „Gemeinsamen Auswerte- und Ermittlungsgruppe Schleusungskriminalität“ liegen keine Hinweise vor. Der Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt wird von der Bundespolizei dahingehend unterrichtet. Das Landesamt unterrichtet wiederum das Bundesamt für Verfassungsschutz.
Im Zuge dessen beschuldigt al-Abdulmohsen eine Frau, ihn beschuldigt zu haben. Gegen ihn wird ein Verfahren wegen des Verdachts der Verleumdung – Paragraph 187 Strafgesetzbuch – eröffnet. Die Frau gibt zudem an, gehört zu haben, al-Abdulmohsen würde Frauen sexuell mißbrauchen. Konkrete Angaben macht sie nicht. Wie das Verfahren endet, geht aus der Chronologie nicht hervor. Ihm wird zudem vorgeworfen, gefälschte Reisepässe und Visa anzubieten.
Im November erstattet al-Abdulmohsen Strafanzeige gegen vier saudi-arabische Personen wegen des Verdachts der Spionage für Saudi-Arabien. Die Behörden sehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Wenige Tage später richtet er sich erneut an das Social-Media-Team der Polizei Berlin, da einer der Verdächtigen sich nun in Berlin aufhalte. Rund zwei Wochen später teilt er mit, dem „Staatsschutz Bernburg“ in der Angelegenheit einen USB-Stick überreicht zu haben. In Nordrhein-Westfalen stellt er eine Strafanzeige gegen zwei Mitglieder der „Säkularen Flüchtlingshilfe Deutschland e.V.“, weil sie weibliche Personen belästigt haben sollen.
2021
Bis Mai 2021 stellt al-Abdulmohsen vier Strafanzeigen: wegen Betrugs gegen den ehemaligen Vorstand der „Säkularen Flüchtlingshilfe Deutschland e.V.“, wegen Unterschlagung gegen eine Polizistin, die angeblich den USB-Stick nicht rechtzeitig ausgehändigt habe, sowie gegen die Staatsanwaltschaft Magdeburg und einen Oberstaatsanwalt Magdeburgs.
Gegen al-Abdulmohsen wird im Juli ein Verfahren wegen des Verdachts des Einschleusens von Ausländern – Paragraph 96 Aufenthaltsgesetz – eingeleitet. Im Oktober wird ihm vorgeworfen, er sei Mitglied der Hisbollah. Dem LKA Sachsen-Anhalt liegen allerdings keine Hinweise auf eine „islamistische Gesinnung oder terroristischen Hintergrund“ vor.
2022
Großbritanniens National Crime Agency (NCA) wendet sich an das deutsche BKA. Demnach prahle al-Abdulmohsen auf Twitter damit, Personen nach Großbritannien zu bringen und sie dort auszubeuten. Die NCA bittet um Informationen zu ihm. Das BKA teilt die polizeilichen Erkenntnisse seit 2013 mit und daß er „als Tatverdächtiger als auch als Geschädigter in verschiedenen Verleumdungssachverhalten erfaßt“ wurde.
Im Juli wird al-Abdulmohsen zweimal der illegalen Einwanderung beschuldigt. Die Ermittlung werden beide Male eingestellt. Zudem verherrliche er „den sexuellen Mißbrauch von Kindern öffentlich“ und besitze kinderpornographische Inhalte. Es werden keine Ermittlungen eingeleitet, da kein strafrechtlich relevantes Handeln festgestellt werden konnte.
Nun wendet sich das Europol Verbindungsbüro Großbritanniens an das BKA. Al-Abdulmohsen soll laut Twitter selbst angegeben haben, Menschenhandel zu betreiben. Der Sachverhalt landet beim LKA Sachsen-Anhalt. Zum weiteren Vorgehen läßt sich in der Chronologie nichts finden.
Erstmals richtet al-Abdulmohsen sich an das Bundesinnenministerium (BMI): Er benötige „dringend einen persönlichen Termin mit Frau Ministerin“. Seit Jahren würde er die Behörden vor „zwei korrupten Organisationen warnen“. Die Staatsanwaltschaften hätten niemals richtig ermittelt“. Über deren „Untätigkeit“ wolle er mit Frau Faeser diskutieren. Das BMI antwortet mit Verweis auf die Zuständigkeiten in Deutschland. Es ist die erste und letzte Nachricht, die al-Abdulmohsen vom BMI erhält.
2023
Erneut wendet er sich an die Bundesinnenministerin. Er habe beim Kanzleramt angerufen und gefragt: „Muß man in Deutschland 20 Leute auf den Straßen von Berlin umbringen, um die Gerechtigkeit zu bekommen?“ Richter in Rostock würden „Lügen über ihn verbreiten“. Die Anzeigen wegen sexueller Belästigung sollen nur Asylantinnen „vor ihm verängstigen“. Er müsse geschützt werden. Dafür nimmt er die Ministerin in die Verantwortung. „Mit absoluter Sicherheit ist es Ihre Zuständigkeit, wenn Deutschland alle Wege zur Gerechtigkeit blockiert.“ Und: „Bitte sagen Sie mir nicht, daß Sie nicht zuständig sind.“
„Wie kann ich, als politischer Aktivist, die Asylantinnen gegen Mißbrauch schützen, wenn ich sogar mich selbst wegen der Untätigkeit der Staatsanwälte und des komischen deutschen Zivilrechts nicht schützen kann?! Ist es nicht Ihre Zuständigkeit, wenn alle friedlichen Methoden scheitern?“ Das BMI antwortet aufgrund des „unklaren bzw. verworrenen Anliegens“ nicht.
In einer weiteren Nachricht über das Kontaktformular – lediglich einen Tag später – wirft er der Ministerin vor, sie angezeigt zu haben: „Sehr geehrte Frau Bundesinnenministerin, da Sie mich angezeigt haben, bitte ich Sie darum, etwas gegen die korrupten Leute aus Köln zu tun.“ Er wiederholt seine Aussagen vom Vortag. Erneut antwortet das BMI nicht.
Wochen darauf reicht er bei der Kölner Polizei einen Hinweis auf Hinterziehung von Spendengeldern ein. Erneut schreibt er über das Kontaktformular das BMI an und wiederholt seine vorherigen Aussagen. Dabei erweitert er seine Vorwürfe um sexuellen Mißbrauch durch die Organisation „Atheist Refugee Relief“. Die Nachricht beendet er mit: „Warum haben Sie mich, aber nicht die Staatsanwälte aus Magdeburg und Köln, angezeigt????????????“ Funkstille von Seiten des BMI.
Im April erstattet al-Abdulmohsen Anzeige wegen Verletzung des Briefgeheimnisses – Paragraph 202 Strafgesetzbuch. Hintergrund ist erneut der USB-Stick. Dieser wurde durch die Kölner Staatsanwaltschaft zurückversandt. Er beklagt, der Brief sei geöffnet und ohne USB-Stick bei ihm angekommen. Nun schreibt er die Innenministerin persönlich an. Erneut fragt er, warum sie Anzeige gegen ihn erstattet habe. Sie antwortet nicht.
Im Juli erstattet al-Abdulmohsen erneut Anzeige. Diesmal wegen Betrugs – Paragraph 263 Strafgesetzbuch – bei der Kölner Polizei. Nachrichtlich, also eine Kopie erhalten auch die Kölner Staatsanwaltschaft und Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt am Main. Über das Jahr 2023 verteilt stellt er weitere sechs Anzeigen. Sie richten sich gegen die deutschen Sicherheitsbehörden, die „Säkuläre Flüchtlingshilfe Deutschland“ sowie das Königreich Saudi-Arabien.
Sechs weitere Male kontaktiert er das BMI nachrichtlich mit Hinweisen, die an Polizei und Staatsanwaltschaft gehen. Immer wieder handeln seine Erzählungen von Besuchen bei den Sicherheitsbehörden und vermeintlichen Hinweisen gegen die „Säkulare Flüchtlingshilfe Deutschland“ sowie „Atheist Refugee Relief“. Seine Schilderungen seien dabei „verworren“, wie es in der Chronologie heißt.
Im September 2023 richtet sich das Generalsekretariat von Interpol an das BKA. Saudi-Arabien möchte eine „Red Notice“ – einen internationalen Suchbefehl – erwirken. Allerdings erfolgt die Aktivierung nicht, da al-Abdulmohsen in Deutschland Flüchtlingsstatus genießt. Im selben Monat wird dem Bamf – und im Dezember dem LKA Sachsen-Anhalt – der Tweet: „Nimmst du es mir übel, wenn ich 20 deutsche Menschen töte?“ gemeldet. Das Bamf verweist auf das LKA Berlin. Ende des Monats hält die Polizei Salzlandkreis eine Gefährderansprache ab, da al-Abdulmohsen die Kölner Staatsanwaltschaft bedrohte.
Nun schalten sich erneut die oberen Sicherheitsbehörden ein. Beim BND gehen Hinweise über ihn ein. Er verleite minderjährige, weibliche Personen zur Flucht und verspreche ihnen Vorteile. Ein Opfer habe sich in Großbritannien bereits umgebracht. Zudem wird der BND auf den Tweet: „In Deutschland wird etwas Großes passieren. Mein Rat: Sucht kein Asyl in Deutschland“ aufmerksam.
Denselben Tweet registrieren auch das BKA und der Verfassungsschutz. Das LKA Sachsen-Anhalt wird kontaktiert. Dort ging unterdessen noch ein Tweet ein: „Würden Sie es mir verübeln, wenn ich 20 Deutsche umbringe, weil Deutschland gegen die saudische Opposition vorgeht?“
Es läuft allerdings bereits ein Verfahren gegen al-Abdulmohsen wegen eines weiteren Tweets: „Deutschland wird den Preis dafür zahlen müssen. Einen hohen Preis. Ich versichere euch zu 100 %, daß die Rache bald kommen wird. Auch wenn es mich mein Leben kostet. Ich werde dafür sorgen, daß die deutsche Nation den Preis für die Verbrechen zahlen muß, die ihre Regierung an den saudischen Flüchtlingen begangen hat“.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hingegen vermerkt: „Bewertung als unspezifischer Gefährdungssachverhalt mangels konkreter Hinweise. Keine weitere Bearbeitung.“ Und antwortet den Behörden in Saudi-Arabien: „Dank und Bitte um konkrete Anhaltspunkte, so solche vorliegen sollten.“
Beim BND gehen weitere Tweets ein: „Eine Diskussion. Zu einem rein philosophischen Zweck. Gibt es ein moralisches Hindernis für die saudische liberale Opposition, eine Operation in Deutschland durchzuführen, ähnlich wie die Hamas in Israel? Mit anderen Worten, gibt es ein moralisches Hindernis für die liberale saudische Opposition, wahllos Deutsche zu töten? Der Grund der Frage ist lediglich, das philosophische Denken zu erweitern.“
Und: „Virtueller fiktiver Fragebogen, außerhalb der Realität, zu einem rein philosophischen Zweck: Wenn Taleb al-Abdulmohsen wahllos deutsche Staatsbürger tötet, weil das die einzige Möglichkeit ist, saudische Flüchtlinge vor vorsätzlichen Übergriffen der deutschen Behörden gegen sie zu schützen, was ist dann eure Position?
1 – Ich unterstütze öffentlich
2 – Ich verurteile öffentlich
3 – Ich unterstütze stillschweigend
4 – Ich lehne schweigend ab“
Anfang Dezember 2023 eröffnet Sachsen-Anhalt wegen des Verdachts der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten ein Verfahren gegen ihn. Allerdings lehnt ein Bereitschaftsrichter einen Antrag auf Durchsuchung ab. Nach weiteren Ermittlungsschritten beantragt die Polizei erneut einen Durchsuchungsbeschluß, der von der Staatsanwaltschaft Magdeburg abgelehnt wird. Einer Vorladung kommt al-Abdulmohsen nicht nach. Das Verfahren wird „vermutlich eingestellt“, heißt es in der Chronologie.
Beim LKA Sachsen-Anhalt gehen durch die Polizei Nordrhein-Westfalen und das Hinweisportal weitere Informationen über ihn ein. Bei einer Gefährderansprache wird er nicht aufgetroffen. Letzter Vermerk Dezember 2023: „Zudem wird ein Hinweis bezüglich der Änderung des Profilbildes auf dem X-Account des al-Abdulmohsen (Sturmgewehr) bekannt.“
2024
Erneut wendet er sich über das Kontaktformular des BMI an die Ministerin. Dabei wiederholt er die Vorwürfe der vergangenen Nachrichten. An das Bundeskanzleramt schickt al-Abdulmohsen eine Nachricht, in der er seine Geschichte erzählt. Er wird auf die zuständigen Polizeidienststellen verwiesen.
Da er mehrfach den Notruf in Berlin tätigte, wird ein Verfahren gegen ihn wegen Mißbrauchs von Notrufen und Beeinträchtigung von Unfallvergütungs- und Nothilfemitteln – Paragraph 145 Strafgesetzbuch – eröffnet.
Das Social-Media-Team der Berliner Polizei wird im Februar von ihm kontaktiert. Er legt seine gesamte Geschichte vor und gibt an: „2014 habe ich das Kanzleramt angerufen und fragte: Muß man 20 Leute auf den Straßen von Berlin umbringen, um die Gerechtigkeit in DEU zu bekommen?“
Im März schreibt al-Abdulmohsen seine letzte Anzeige. Erneut gegen „Säkulare Flüchtlingshilfe Deutschland“ wegen Verleumdung. Es wird ein Verfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Kunsturheberrechtsgesetz gegen ihn und eine weitere Frau eröffnet.
Zum letzten Mal meldet er sich beim Social-Media-Team der Polizei Berlin. Es ist Mai und er schreibt, „daß die Deutschen keine Ahnung hätten, was es bedeute, die saudi-arabische Opposition zu provozieren, und daß deutsche Behörden ein paar psychisch kranke ‚Abuser‘ beauftragt hätten, saudi-arabische Flüchtende anzugreifen, und fragte, ob sie denken würden, sie könnten Gerechtigkeit verhindern“, heißt es in der Chronologie.
Beim BND geht ein weiterer Hinweis eines ausländischen Geheimdienstes ein. Al-Abdulmohsen droht auf X: „Glauben Sie, daß Deutschland absichtlich einen neuen Osama bin Laden schafft? Provoziert Deutschland die Saudis absichtlich dazu, deutsche Staatsbürger zu töten, damit die westlichen Medien, wie üblich, die Saudis als Terroristen brandmarken? Will Deutschland mit seinen Angriffen auf saudische Flüchtlingsfrauen saudische Bürger dazu bringen, deutsche Bürger abzuschlachten?“
In Sachsen-Anhalt beginnt im August ein Verfahren gegen ihn, weil er seinen Anwalt in einer E-Mail bedroht haben soll. Zur Beschuldigtenvernehmung erscheint al-Abdulmohsen nicht.
Neuer Hinweis eines ausländischen Geheimdienstes beim BND. Erneut schreibt al-Abdulmohsen auf X: „Gibt es eine Möglichkeit, in Deutschland Recht zu sprechen, ohne daß die deutsche Botschaft explodiert oder deutsche Bürger wahllos abgeschlachtet werden? Ich bin seit Januar 2019 auf der Suche nach diesem friedlichen Weg und habe ihn nicht gefunden. Wer ihn kennt, möge mich bitte dorthin führen.“
Zwei Monate nach Ermittlungsstart in Sachsen-Anhalt führt die Polizei eine weitere Gefährderansprache, wegen der Bedrohung des Rechtsanwaltes. Später im Oktober melden sich die saudi-arabischen Behörden erneut, allerdings ohne neue Erkenntnisse. Dieses Erinnerungsschreiben liegt auch dem Verfassungsschutz vor.
Am 19. Dezember 2024 wird Taleb al-Abdulmohsen in Berlin gemäß Paragraph 145 Strafgesetzbuch zu 20 Tagessätzen von insgesamt 600 Euro verurteilt. Hintergrund sind die Ermittlungen wegen Mißbrauches von Notrufen und Beeinträchtigung von Unfallvergütungs- und Nothilfemitteln. Zur Gerichtsverhandlung ist er nicht anwesend. Einen Tag später – am 20. Dezember 2024 – rast er in den Magdeburger Weihnachtsmarkt.
Der Beitrag Attentäter von Magdeburg: Die Geheimakte Taleb al-Abdulmohsen ist zuerst erschienen auf anonymousnews.org – Nachrichten unzensiert und wurde geschrieben von Redaktion.