Die EU-Mitgliedstaaten müssen offenbar nicht erklären wofür die Gelder aus dem Corona-Wiederaufbaufond schlussendlich ausgegeben werden.
Dies bleibt sozusagen das gut gehütete Geheimnis der Mitgliedstaaten, wie auch einem Bericht von ntv zu entnehmen ist.
EU- Haushaltskontrollausschuss ad absurdum geführt
Der Corona-Wiederaufbaufonds der EU ist mit 723 Milliarden Euro „gut gefüllt“.
Eigentlich sollte der Haushaltskontrollausschuss des Europäischen Parlaments überwachen, wie diese Mittel vergeben werden. Doch er bekomme kaum Informationen über die Endempfänger, erklärte dazu die Vorsitzende Monika Hohlmeier.
Hohlmeier scheint also diesbezüglich ein Problem zu haben. Der Haushaltskontrollausschuss des Europäischen Parlaments, den die CSU-Politikerin leitet, könne seiner Aufgabe teilweise nicht nachkommen, erklärt sie.
Im Zentrum ihrer Kritik steht die Intransparenz bei der Verteilung von Subventionen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds. In Zeiten der Pandemie hatte die EU den 723 Milliarden Euro Fonds, der sowohl aus Krediten als auch Zuschüssen besteht, ins Leben gerufen. Dies geschah, um die Mitgliedsstaaten durch die Finanzierung verschiedener Projekte angeblich krisenfester zu machen.
Im Gegenzug müssten nun die EU-Mitglieder Reformen, insbesondere im digitalen und ökologischen Bereich, anstoßen. Eine derartige Herangehensweise kennt man seitens der EU, sind doch Bedingungen ähnlicher Art eben mit der großzügigen Vergabe der 50 Mrd. „Spende“ der EU an die Ukraine, verbunden gewesen.
Keine Auskünfte trotz mehrfacher „Urgenz“
Von den Ländern und der EU-Kommission fordert Hohlmeier nunmehr Auskunft darüber, wo genau das Geld investiert wird. Eine befriedigende Antwort steht trotz mehrerer Nachfragen noch aus. „Eine komplette Übersicht aller oder zumindest wesentlicher Projekte hat der Haushaltskontrollausschuss von keinem der Mitgliedstaat erhalten“, erklärte Hohlmeier.
Eigentlich wären die EU-Staaten verpflichtet, dem Ausschuss zweimal im Jahr eine Liste der 100 wichtigsten Endempfänger zur Verfügung zu stellen. Insgesamt 14 Länder seien dieser Pflicht bereits nachgekommen. Hohlmeier moniert jedoch, dass diese Listen, online öffentlich einsehbar, wenig erhellend seien.
EU-Musterschüler machen Angaben – Rest ignoriert einfach
In der Datenbank gibt etwa Österreich an, mehr als 78 Millionen aus dem Fonds an das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung vergeben zu haben. Davon sollen etwa 73 Millionen für die Bereitstellung digitaler Endgeräte für Schüler verwendet worden sein. Welche Ausschreibungen in diesem Zusammenhang vergeben werden, welche Firma die Geräte liefert und wer schließlich das Geld bekommt, geht aus der Website jedoch nicht hervor.
Auch die Parlamentarier wissen in vielen Fällen nicht wesentlich mehr über den Verbleib dieser Subventionen. Hohlmeier wandte sich mehrmals an die Kommission, um detailliertere Informationen zu bekommen. Ohne Erfolg.
So habe etwa Spanien Gelder für das Gesundheitswesen verplant, sagt die CSU-Politikerin. „Wenn wir als EU-Parlament gerne wissen möchten, wofür die Gelder denn konkret eingesetzt wurden, erhalten wir lückenhafte Einzelbeispiele, die keinen Rückschluss auf die Vergabe der Mittel im Gesamten zulassen“, so Hohlmeier.
Es sei beispielsweise nicht möglich zu sehen, welche Krankenhäuser welche Art der Ausstattung zu welchem Preis erhalten haben. Auch könne der Ausschuss nicht kontrollieren, ob die Gelder fair und unparteiisch ausgegeben wurden.
Italien will Stadien bauen mit „Corona-Geldern“
Italien, das wie Spanien einer der größten Nutznießer des Aufbaufonds ist, wurde an einem besonders kuriosen Beispiel deutlich, wie Gelder zweckentfremdet werden könnten, wenn die Vergabe nicht kontrolliert wird. Rom wollte den Auf- und Umbau zweier Fußballstadien subventionieren.
Für ein Stadion in Venedig sollten 93 Millionen Euro fließen, für ein weiteres in Florenz 55 Millionen. Die Kommission schritt schließlich ein und lehnte eine Finanzierung der Projekte durch den Fonds ab. Der Bürgermeister von Florenz reagierte zornig, und behauptete, dass die Mittel bereits genehmigt worden waren.
Hohlmeier ist der Überzeugung, dass italienische Behörden aufgrund von Personalmangel überfordert damit seien, Mittel aus dem Wiederaufbaufonds „parallel zu den Kohäsionsgeldern abzurufen und für tatsächlich sinnvolle Projekte auszugeben“, wie sie sagt. Die Auszahlung verschiedener Tranchen an Italien verzögere sich entsprechend. Berichte legen nahe, dass die italienische Regierung die Befugnisse ihres Rechnungshofs einschränkt, weil er die Verzögerungen bei der Verwendung der Subventionen kritisiert hatte.
Keine Auskunft seitens EU an Presse
Mit Hohlmeiers Kritik konfrontiert, erklärt eine Kommissionssprecherin auf Anfrage von ntv.de, die Mitgliedsstaaten seien zwar verpflichtet, „Aufzeichnungen über die Endempfänger von Sonderfazilitätsmitteln zu führen“.
Allerdings müssten sie diese Daten nur auf Anfrage der Kommission, des Europäischen Rechnungshofs, des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung oder der Europäischen Staatsanwaltschaft offenlegen.
Tatsächlich würden die Länder nicht gegen EU-Recht verstoßen, wenn sie dem Parlament nur vage Informationen liefern. Die Kommission stelle dem Haushaltskontrollausschuss die Daten zur Verfügung, wenn dieser sie anfordere, so die Sprecherin. Dies bestreitet Hohlmeier vehement. Informationen seien „nur nach und nach und unter großem Druck verfügbar“, sagte Hohlmeier.
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